Zwei unterschiedliche Lebenswege, viele Gemeinsamkeiten
Nur zufällig kreuzen sich die Wege von Layla Mehrzad (22, Bild rechts) und Aresuh Azizi (22, Bild links) in Hamburg. Beide Frauen haben ihre Wurzeln in Afghanistan. Ihre Familien stammen aus Herat, der zweitgrößten Stadt des Landes. Erst in Hamburg lernen die beiden sich bei ihrer Ausbildung in der Haspa kennen und freunden sich an. Zwei Lebenswege, die unterschiedlicher nicht sein können, aber dennoch ganz viel gemeinsam haben.
Layla, wie und wann bist Du nach Deutschlandgekommen?
Layla: Ich lebe seit fast 13 Jahren in Hamburg. Mit zehn Jahren bin ich nach meiner Grundschulzeit aus Afghanistan herkommen. Da das Land politisch und wirtschaftlich unsicher war, beschlossen meine Eltern, nach Deutschland zu gehen. Sie wünschten sich eine sichere Zukunft für uns Kinder – gerade für mich als Mädchen. Auch wenn wir in Afghanistan sehr privilegiert gelebt haben, so stand für meine Eltern unser Wohlbefinden und unsere Sicherheit an erster Stelle. Wir sollten ohne Angst aufwachsen. Bildung war und ist für sie ein hohes Gut. Und so machten wir uns auf und kamen nach Deutschland.
Und wie ging es dort weiter?
Layla: Wir landeten zunächst in Bremerhaven, wo ich die Realschule besuchte. Mein Deutsch wurde immer besser und ich bekam die Chance, aufs Gymnasium zu wechseln. Meine damalige Lehrerin hat mich immer sehr unterstützt, aber sie war zunächst skeptisch, ob ich das Gymnasium schaffen würde. Aber meine Eltern bestärkten mich und waren überzeugt, dass ich das Gymnasium packen kann.
Dann sind wir umgezogen. Ab der 10. Klasse bin ich in Hamburg zur Schule gegangen, wo ich ein sehr gutes Abi gemacht habe. Meine Eltern haben immer an mich geglaubt und viel für mich getan. Das hat mich getragen. Sie haben nicht in erster Linie an das Geld und unseren Wohlstand in Afghanistan gedacht, sondern an uns Kinder und unsere Ausbildung. Das war einfach großartig für mich und dafür bin ich ihnen noch heute dankbar.
Und wie kam es nun, dass du bei der Haspa gelandet bist?
Layla: In der 12. Klasse gab es in der Schule Orientierungstage, unter anderem wurde das Berufsfeld der Bankkauffrau vorgestellt. Ich fand den Job so spannend, dass ich mich gleich bewarb – unter anderem bei der Haspa. Ich erhielt sehr schnell eine Zusage für eine Ausbildung – und heute arbeite ich in einer Haspa Filiale im Kundenservice. Demnächst möchte ich auch als Beraterin tätig sein.
Aresuh, ist dein Werdegang ähnlich?
Aresuh: Mein Werdegang ist ganz anders als der von Layla. Und ehrlich gesagt, bin ich froh darüber, denn das ist schon hart, was Layla da durchlebt hat.
Meine Eltern sind vor 30 Jahren von Afghanistan nach Deutschland gekommen. Ich bin in Hamburg geboren und aufgewachsen. Neben der Mittelschule habe ich jeden Samstag die iranische Schule in Hamburg besucht, um auch die persische Sprache in Wort und Schrift zu lernen – zu Hause habe ich deutsch und persisch gesprochen. So habe ich meine Muttersprache gelernt, die natürlich auch zu mir gehört – das war meinen Eltern sehr wichtig. Ich sollte die Liebe und den Bezug zu Afghanistan nicht verlieren.
An der Stadtteilschule habe ich dann mein Abi gemacht und nach einer kleinen Auszeit eine einzige Bewerbung losgeschickt: an die Haspa!
Warum gerade an die Haspa?
Aresuh: Als ich klein war, hatte ich das Gefühl, die Haspa ist überall in Hamburg, immer in meinem Blickfeld. Meine Mutter nahm mich schon als Kind mit in die Filiale, wo die Berater:innen mit mir geschnackt und gespielt haben. Das war alles so familiär und persönlich. Ganz besonders cool fand ich die Weltsparwochen, wo ich mit meiner kleinen Spardose zur Haspa gegangen bin und Manni auf mich gewartet hat. Da war es für mich ganz klar, dass ich meine Ausbildung bei der Haspa mache. Inzwischen arbeite ich bei Haspa Direkt und betreue die Kund:innen per Telefon.
Ihr kennt ja nun beide Kulturen sehr gut. Was ist typisch afghanisch, was ist typisch deutsch? Wenn man überhaupt von „typisch“ reden kann…
Aresuh: Das Wichtigste in Afghanistan ist die Familie! Sie ist immer da, immer im Hintergrund. Familie spielt eine enorm große Rolle, ich bin am glücklichsten, wenn wir alle zusammen und in Sicherheit sind. Das ist sicherlich in vielen Kulturen so, aber zur Familie gehört nicht nur unsere kleine 5-Köpfige family mit meinen Eltern und Geschwistern, sondern auch noch Mitglieder des zweiten und dritten Grades. Das sind dann schon viele Personen (lacht). Ich werde oft von meinen Freundinnen gefragt, wie es sein kann, dass ich am Wochenende schon wieder auf einer Hochzeit bin, wo sie vielleicht gerade mal eine Hochzeit – wenn überhaut – besucht haben. Dieser Unterschied ist schon auffällig.
Layla: Das ist bei mir genauso, diese Frage mit den Hochzeiten wird mir auch ganz oft gestellt (lacht). Es sind auch bei mir nicht nur meine Eltern und mein Bruder, die mir wichtig sind, sondern meine Cousins und Cousinen und auch weiter entfernte Verwandte sind wie Geschwister für mich.
Und was ist jetzt „typisch“ deutsch?
Layla: Als typisch deutsch empfinde ich Werte wie Pünktlichkeit und Genauigkeit, aber auch Regeln, wie zum Beispiel Verkehrsregeln, an die sich die Menschen halten. Das schafft eine gewisse Klarheit und macht das Leben oft einfacher, weil jeder die Regeln kennt und befolgt.
Aresuh: Das stimmt total! In Afghanistan fällst du auf, wenn du pünktlich bist oder dich an Regeln wie rote Ampeln hältst. Es gibt dort auch Regeln, aber irgendwie hält sich keiner daran. Das erscheint dann manchmal etwas chaotisch.
Gibt es ein Beispiel, wo ihr auf kulturelle Unterschiede gestoßen seid?
Aresuh: Ja, da fällt mir ein lustiges Beispiel ein. Hier in Deutschland sind die Leute viel direkter und kommen gleich auf den Punkt – sagen, was sie wollen. Das ist bei uns anders.
Wir haben in Afghanistan einen Begriff, der heißt „Tarof“ und bedeutet so viel wie „nein danke, (aber doch eigentlich gern)“.
Wenn du in Afghanistan beispielsweise einen Keks angeboten bekommst, lehnst du dieses Angebot beim ersten Mal ab. Bei uns ist es höflich, den Keks zunächst nicht anzunehmen. Du erwartest jedoch, dass man dich ein zweites Mal fragt und erst dann nimmst du den Keks dankend an.
Ihr könnt Euch vorstellen, wie das hier dann in Deutschland abgelaufen ist.
Als ich die ersten Male etwas angeboten bekam, lehnte ich – nach afghanischer Sitte – ab, in der Erwartung, ein zweites Mal gefragt zu werden. Mich hat aber keiner ein zweites Mal gefragt, weil „nein, Danke“ ist halt hier „nein, Danke“. Ich stand dann mit leeren Hände da. (lacht) Das ist mir dann aber auch nicht mehr passiert, nachdem ich begriffen habe, wie es hier läuft.
Ihr sprecht beide fließend Deutsch – wie sieht es aus mit dem Persischen?
Layla: Wir sprechen zu Hause Persisch. Das macht Spaß und damit erhalten wir die Sprache in unserer Familie am Leben. Im Job spreche ich überwiegend Deutsch. Ich habe inzwischen aber auch einen sehr netten Kundenstamm, der sich freut, mit mir auf Persisch zu klönen.
Aresuh: Wir sprechen zu Hause beide Sprachen: Deutsch und Persisch.
Was bedeutet für euch Heimat?
Aresuh: Meine Heimat und mein Zuhause ist Deutschland, meine Wurzeln sind in Afghanistan. Und ich habe eine ganz feste und sehr schöne Verbindung zu meinen Wurzeln. Ich war gerade erst vor ein paar Monaten in Afghanistan und hatte die Möglichkeit, einen Teil meiner Familie zu sehen, worüber ich sehr glücklich bin.
Layla: Deutschland und Afghanistan sind für mich Heimat. Ich habe beide Pässe und fühle mich mit beiden Ländern eng verbunden. Wenn ich mal Kinder habe, möchte ich ihnen die schönsten Seiten aus beiden Kulturen zeigen und an sie weitergeben.
Vielen Dank ihr zwei für das schöne Gespräch.
Text: Martina Tamme & Corinna Wittmar