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Mal kurz die Sorgen vergessen

HASPA und MOPO suchen die "Bessermacher": Hier: John Schierhorn (47) von "SternChance" / Schroedingers Florian Quandt

Das „Schrödingers“ ist ein besonderes Kulturzentrum. Statt Events gibt es hier Projekte für ukrainische Familien. Die Haspa am Schulterblatt hilft wo sie kann.

Ein Dach über dem Kopf, eine liebevolle Familie, ausreichend Geld. Wie so viele andere lebe er in einem wunderbaren Kokon. „Doch die Welt ist nicht so toll, wie in unserem Mikrokosmos“, sagt John Schierhorn (47). Der Mann, der als Gründer des „Waagenbau“ und Mitinitiator des „Clubkombinats“ bekannt ist, will nicht einfach nur zusehen. Er will etwas bewegen. Deshalb hat er das Stadtteilkulturzentrum „Schrödingers“ am Rande des Schanzenparks übernommen. Mittlerweile nicht nur die größte Lebensmittelausgabe der Tafel, sondern auch ein geschützter Raum für ukrainische Familien. Gerechtigkeit, sich umeinander kümmern – das hat John schon als Kind vermittelt bekommen. Nicht nur von seinen Eltern, auch von seinem Viertel. Er wuchs in der Schanze auf. „Da hat man sich schon immer ganz selbstverständlich geholfen“, sagt der Mann, der eigentlich John-Erik heißt. Doch es gibt nur eine einzige Person, die ihn so nennt: „Meine Mutti. Und die meint es dann auch genauso. Da knall ich die Hacken zusammen“, sagt er grinsend.

Die große Spielburg vor der Tür ist besonders angesagt bei den ukrainischen Kindern.

Gemeinsam mit seiner Verlobten übernahm John im November 2019 das „Schrödingers“ an der Schröderstiftstraße. Früher bekannt als Hochzeits-Location. Doch in erster Linie ist es kein Gastronomiebetrieb, sondern ein Stadtteilkulturzentrum unter dem Dach des „SternChance e.V.“. Nach der Renovierung wollten sie eigentlich im März 2020 richtig durchstarten. Doch dann kam Corona und alles anders. Klar, ein Schock. Doch Stillstand ist nicht ihr Ding. Schütteln, durchatmen, weitermachen. Statt Events und Kultur entstand eine große Hilfsbewegung mit vielen Engagierten. Besondere Aufmerksamkeit bekam der Verein für seine Lebensmittel- und Geschenkeausgabe an Heiligabend. Hunderte Bedürftige kamen. Wenig später bauten sie ein Zeltdorf für Obdachlose im Garten auf – nachdem im Schanzenpark ein Mann erfroren war. Ein Obdachloser, der bei der Ausgabe an Weihnachten noch dabei gewesen war. Für John ein schwerer Schlag. „Das hat mich sehr berührt und fassungslos gemacht. Da mussten wir etwas unternehmen.“

Sofort aktiv geworden sind John und seine Freundin auch nach Beginn des Krieges in der Ukraine. Ihr größtes Projekt ist mittlerweile „City Kids“ – ein Begegnungszentrum für ukrainische Geflüchtete. Jeden Dienstag, Mittwoch und Donnerstag treffen sie sich im „Schrödingers“. An manchen Tagen kommen 50, an anderen weit über 100. „Das Herz ist die Kinderbetreuung mit etlichen Angeboten.“ Von Hip-Hop-Kursen, Geigen- oder Klavierunterricht über Siebdruck und Spielbetreuung bis hin zu DJ-Workshops. Während die Kinder beschäftigt sind, nehmen die Erwachsenen am Sprachunterricht teil oder treffen sich im Café, in dem es kostenloses Frühstück und Mittagessen gibt. Ein schmucker Raum mit Tresen, Kamin, buntem Wandbild, Pflanzen in goldenen Blumentöpfen un dunkelgrünen Polsterstühlen. An „Beratungstischen“ sitzen Ehrenamtliche, die die Geflüchteten bei Behördenfragen, Wohnungssuche oder anderen Problemen beraten. Viele der Engagierten sind Senioren und kommen nahezu jeden Tag.

Neben den Freiwilligen gibt es elf Angestellte – Übersetzer, Sprachlehrer und zwei FSJler. „Was wir hier machen, kann man nicht nur mit Freiwilligen stemmen. Deshalb sind wir extrem auf externe finanzielle Hilfe angewiesen“, sagt John, der den Vorstand des Vereins mit seiner Verlobten ehrenamtlich ausübt. Sein Geld verdient er als selbstständiger Projektentwickler. John berät den Fußballclub Borussia Dortmund, hat in Dortmund gerade eine Brauerei und in Hamburg das Start-up „Good Drinks“ mitgegründet – ein Social Business. Seine Tage sind straff organisiert. Doch seine Selbstständigkeit lässt ihm Raum, häufig im Kulturzentrum mit anzupacken. Für ihn ein Ort der Gemeinschaft, an dem häufig gelacht wird. Über den Krieg wird im „Schrödingers“ nicht gesprochen. „Wir wollen hier ein bisschen loslassen.“ Die Sorgen, die Angst, die Ohnmacht für ein paar Stunden vergessen. Besonders glücklich ist John über das Engagement der ukrainischen Flüchtlinge. Sie wollen nicht nur Hilfe in Anspruch nehmen, sondern auch etwas zurückgeben. Jeden Freitag packen sie Lebensmittel für die Aktion „Liebe in Tüten“. Denn das „Schrödingers“ ist die größte Ausgabestelle der Hamburger Tafel und der Tiertafel. Jeden Montag werden im Kulturzentrum Lebensmittel an etwa 650 Obdachlose und Bedürftige verteilt. „Wir setzen hier gefühlt jede Woche das Volumen eines 40-Fuß-Containers um“, sagt John stolz. Er ist glücklich, helfen zu können. Damit die Welt außerhalb seines Kokons ein kleines bisschen besser wird.

Musik für ukrainische Familien

Gutes verdient Unterstützung. Mit der Aktion „Die Bessermacher“ wollen wir nicht nur engagierte Menschen zeigen. Die Projekte bekommen auch finanzielle Hilfe und langfristige Unterstützung. Das Stadtteilkulturzentrum „Schrödingers“ wünscht sich eine neue Musikanlage für das Kaminzimmer, in dem ukrainischen Familien ein geschützter Raum geboten wird. Die Haspa kümmert sich um die Finanzierung mit Fördermitteln aus dem „Haspa LotterieSparen“. Zudem übernimmt die Filiale Sternschanze, die dem Verein bereits mehrfach geholfen hat, die Patenschaft für das Kulturzentrum. „Wir sind immer wieder begeistert und unterstützen, wo es geht. So konnte die Haspa Hamburg Stiftung gerade erneut eine große Spende für die City-Kids sichern“, sagt Teja Andreas, Kundenbetreuer des Vereins aus der Haspa-Filiale Sternschanze.

Von WIEBKE BROMBERG (Text) und
FLORIAN QUANDT (Fotos)