„Ab hier bitte lächeln“ steht auf dem blauen Holztor. Dahinter ein Ort, wie aus einem Astrid Lindgren-Klassiker. Bunt gestrichene Holzhütten, umgeben von einem Kanal. Gehege, in denen Schweine ein Nickerchen halten, Kaninchen Grünzeug mümmeln und Ponys, die über die Weide laufen. Auf der einen Seite dörfliches Idyll, auf der anderen Seite triste Wohnblocksiedlung. Am Stübenhofer Weg liegt er, der Kinderbauernhof Kirchdorf – kurz „Kibaho“. Auf dem Gründer und „Bauer“ Gerd Horn (69) Kinder und Tiere seit 37 Jahren kostenlos zusammenbringt. Insbesondere für Familien, die sonst keine Chancen hätten, einen Bauernhof zu besuchen.
Die Hochhäuser, das beengte Miteinander. Gerd weiß, was es heißt, in einem Viertel wie Kirchdorf-Süd zu leben. Er wohnte als selbstständiger Elektromeister „nicht gerade gut situiert“ mit seiner Frau und 4 seiner 5 Töchter in dem sozial schwachen Viertel. Von Anfang an wollte er etwas bewegen. So engagierte er sich schon vor Jahrzehnten in der Schule und im Koordinierungsausschuss, der sich viel um die kleinen und manchmal auch die großen Belange des Stadtteils kümmerte.
Auf dem kostenlosen Kinderbauernhof Kirchhof zeigt „Bauer“ Gerd Horn den kleinen Gäst:innen eine Welt, die viele nicht kennen
Als die Frage aufkam, ob nicht ein Kinderbauernhof was Schönes wäre, gingen bei Gerd „sämtliche Lampen an“. Eigentlich hatte er nichts mit Bauernhof am Hut. Außer vielleicht, dass er in seiner Kindheit häufig das benachbarte Tierheim besuchte. „Ich wusste, was für eine Bereicherung Tiere für Kinder sind. Besonders in einem Stadtteil, in dem viele Kinder noch nie eine Ziege gesehen haben“, sagt der Mann in Latzhose. Deshalb machte er sich für den „Kibaho“ stark. Auch wenn viele die Idee gut fanden, helfen wollte kaum einer. Doch er sei ein Dickkopf. Gerd trommelte Anwohner:innen zusammen und gründete mit 36 Mitgliedern den „Kinderbauernhof Kirchdorf e.V.“.
Das war 1987. Kurz darauf bekam er die Fläche. Pferdeweiden. Ohne einen einzigen Busch oder Baum. Gerd ist stolz darauf, jeden der rund 40 Bäume selbst gepflanzt zu haben. Er berichtet von einem Baumschul-Mitarbeiter, der vor vielen Jahren in den Abendstunden vorfuhr und fragte, ob Gerd Bäume haben wolle. Sie müssten aber heute noch in die Erde. „Ich habe die ganze Nacht gepflanzt“, sagt der „Bauer“ lachend.
Rund 15 Anwohner:innen halfen dabei, das Grundstück einzuzäunen. Viel mehr stand noch nicht, als die ersten Kinder kamen. Und die ersten Tiere. Eine Frau brachte Hühner und Kaninchen. Die hatte ihr verstorbener Mann dem Bauernhof vererbt. Heute leben rund 200 Tiere auf dem „Kibaho“ – von Hühnern, Gänsen, Kaninchen, Schildkröten und Meerschweinchen bis hin zu Ponys, Eseln und Schweinen. Und es werden immer mehr.
Vor Kurzem standen auf einmal Zwerghühner in einer Transportbox vor dem Tor. Dass Tiere ausgesetzt werden, kam früher „fast monatlich“ vor. Heute ist es selten. Letztens jedoch kamen 2 Männer, die ein Kaninchen unter dem Mantel hervorholten. „Sie warfen es einfach über den Zaun. Ein nicht kastriertes Männchen. Wir haben nur Weibchen“, sagt Gerd und verdreht die Augen. Manche der Tiere behält der Bauernhof, andere müssen ins Tierheim gebracht werden. Nicht einfach für „Bauer“ Gerd. Er liebt die Tiere, von denen die Meisten einen Namen haben.
Zwischen Hochhaussiedlung und Feldern: „Bauer“ Gerd Horn engagiert sich seit Jahrzehnten auf dem Kinderbauernhof Kirchhof
Besonders „Duckduck“ liegt ihm am Herzen. Morgens wartet die Laufente schon am Tor auf ihn. Wenn Gerd nach etwa 10 bis 12 Stunden den Bauernhof verlässt, steht sie wieder parat zur Verabschiedung. Ihn schmerzt es besonders, wenn ein Tier stirbt. Oder respektlos behandelt wird. „Früher wurden Tiere häufiger mit Steinen beworfen. Einmal wurde eine Katze an einen Pfahl genagelt. Furchtbar.“ Doch so etwas kommt heute nicht mehr vor. „Teilweise jagen die Kinder die Tiere noch und die Eltern lachen darüber. Aber dann mache ich eine klare Ansage.“ Wenn die gelbe Karte nicht ernst genommen wird, müssen die Gäste gehen.
An den meisten Tagen gibt es jedoch keine Probleme. Dabei kommen in einem Vierteljahr zwischen 12.000 und 18.000 Besucher:innen. Gerd freut sich am meisten über Gäst:innen, von denen er weiß, dass der Ausflug auf den Bauernhof etwas ganz Besonderes für sie ist. „Das berührt mich sehr. Genau diese Leute wollte ich immer erreichen und nicht die, die sowieso zweimal im Jahr auf dem Bauernhof Ferien machen können.“
Die wertvollsten Momente sind für ihn, wenn Eltern kommen, die schon als Kinder da waren. „Dass sie ihren eigenen Kindern diesen Ort zeigen wollen, macht mich glücklich“, sagt Gerd und zeigt auf die Gans Bacci, die gerade über den Weg gewatschelt kommt. Er erzählt lächelnd, wie eine Kollegin das Ei in ihrem BH ausgebrütet hat.
Nicht nur für Gerd ist der Kinderbauernhof eine Herzensangelegenheit. Alle bis zu 15 Mitarbeiter:innen engagieren sich ehrenamtlich. Finanziert wird der „Kibaho“ über Spenden, Zuschüsse für Projekte durch die Stadt Hamburg und Kindergeburtstage, die jeden Tag auf dem Hof stattfinden. Selbst Gerd nimmt seit 37 Jahren keinen Cent für sein Engagement. „Es geht mir nicht ums Geld. Ich habe nicht viel, aber ich habe gelernt, damit klarzukommen.“ Allerdings wünscht er sich mal wieder einen Urlaub. Am liebsten eine sechswöchige Radtour. Momentan aber nicht machbar. Es fehlt an ehrenamtlichen Helfer:innen, auch ein:e neue:r Steuerberater:in muss dringend gefunden werden. Für Gerd jedoch kein Grund zum Verzweifeln. „Das ist mein Lebenswerk. Hier bin ich und hier will ich sein.“
Gemeinsam für die Zukunft unserer Stadt
Im Magazin „Hamburgs Zukunftsmacher“ stellen wir stellvertretend für viele weitere 18 Projekte aus unserer Region vor, die die Haspa zum Teil bereits seit Jahren fördert.
„Der „Kibaho“ ist eine wichtige Institution“
Die Haspa unterstützt den Kinderbauernhof und finanziert neue Nestschaukel.
Gutes verdient Unterstützung. Mit der Aktion „Die Bessermacher“ wollen wir nicht nur engagierte Menschen zeigen. Die Projekte bekommen auch finanzielle Hilfe und langfristige Unterstützung. Der Kinderbauernhof wünscht sich eine Nestschaukel. Die Haspa kümmert sich um die Finanzierung mit Fördermitteln aus dem „Haspa LotterieSparen“. Zudem wird die Haspa an der Neuenfelder Straße die Patenschaft übernehmen.
„Der „Kibaho“ ist eine wichtige Institution und eine Bereicherung nicht nur für das Viertel. Seit Jahrzehnten engagieren sich Ehrenamtliche, um Kinder und Tiere zusammenzubringen. Das unterstützten wir gerne. Denn Bildung und die Vermittlung von Wissen liegt uns auch bei der Haspa sehr am Herzen.“
Sebastian Menk, Filialdirektor der Haspa in Wilhelmsburg.
Wie es durch die Hilfe mit dem Projekt vorangegangen ist, erfahren Sie im Bessermacher-Recall. Die MOPO bleibt dran und berichtet!
Text: Wiebke Bromberg
Fotos: Florian Quandt
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