Ob Plastiktüten oder gebrauchte Corona-Masken – gern geht sie deshalb an den Wochenenden mit einer Kneifzange durch den Hamburger Stadtteil Blankenese, um in Grünanlagen oder am Elbstrand Unrat aufzusammeln. „Mein Jute-Sack ist meist schon nach einer Stunde randvoll“, sagt Aileen Blöß, stellvertretende Leiterin des Haspa StartUp-Centers.
Besonders Müll, der sich nicht auflöst, ist ihr ein Dorn im Auge. „Immer mehr Menschen werfen einfach achtlos ihren Unrat in die Gegend, der nicht von selbst verschwindet und so jahrzehntelang einfach am Wegesrand liegenbleibt“, kritisiert die gebürtige Hamburgerin. Dazu gehören auch Kleidungsstücke. „Mützen, Schals oder Handschuhe – vor allem in den Wintermonaten findet man viele Klamotten am Boden, die sich noch über viele Jahre halten“, sagt sie. Auch beruflich hat die 35-Jährige bei der Haspa die Chance, ihr Faible für Umwelt und Nachhaltigkeit auszuleben. Als Vize-Chefin des Startup-Centers führt sie gemeinsam mit Stefanie Huppmann ein Team von acht Beratern und zehn Referentinnen, die junge Unternehmer auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit begleiten.
Gründer mit ökologischen und sozialen Zielen
Darunter sind immer mehr sogenannte Impact-Gründer. Das sind Existenzgründer, die nicht nur unternehmerisch, sondern auch ökologisch und sozial aktiv werden wollen. „Wir bekommen immer mehr Geschäftsideen von Managern auf den Tisch, die nach vielen Jahren in ihrem Job endlich etwas Sinnstiftendes machen wollen“, sagt Blöß. Ihre Unternehmen sollen dazu beitragen, dass die Umwelt weniger belastet und die Arbeitsprozesse für die Mitarbeiter erträglicher werden. Und das Spektrum an Impact-Gründungsideen ist vielschichtig, das die Haspa bereits begleitet hat. Von Bioriegeln über Bioläden, vegane Restaurants oder Shops für nachhaltige Textilien bis hin zur plastikfreien Verpackung oder dem E-Roller-Verleih. Viele Projekte sind einzigartig und neu. Dazu gehört auch eine junge Firma, die Seifenmühlen herstellt. Dafür verwendet das Unternehmen kaputte Netze, die Fischer einfach im Meer entsorgt haben. „Ob Edeka, Lidl oder Aldi – in vielen Handelsketten wird in Plastikflaschen Flüssigseife verkauft, die oftmals Tenside enthält. Mit den Seifenmühlen kann man hingegen ökologisch hergestellte Hartseife leicht zerkleinern, um sich die Hände zu waschen“, erläutert Blöß.
Doch es gibt noch andere Gründer, die die Haspa-Managerin für ihren ökologischen Geschäftssinn bewundert. Das sind Unverpackt-Läden, die in Hamburg immer mehr zunehmen. „Heutzutage sind fast alle Produkte, die man in Supermärkten kaufen kann, in Unmengen von Plastik verpackt. Das sind Fertigsalate, Gurken oder Strohhalme, die einzeln abgepackt in Folien eingewickelt werden. Jetzt kehrt sich der Trend um. In Hamburg gibt es immer mehr neue Läden, in denen man Lebensmittel oder Dinge des täglichen Bedarfs unverpackt einkaufen kann“, sagt die Start-up-Spezialistin. Damit helfen die Existenzgründer, unnötigen Müll zu vermeiden.
Weg zum Gründungsgeschäft war quasi vorgezeichnet
Der Weg zur Haspa und zum Gründungsgeschäft war für Blöß quasi vorgezeichnet. Beide Elternteile arbeiteten viele Jahre bei der Hamburger Sparkasse. Obwohl sie nach ihrem Schulabschluss zunächst eine Laufbahn als Zahnärztin oder Polizistin einschlagen wollte, findet sie den Arbeitgeber ihrer Eltern ebenfalls reizvoll. Sie beginnt eine Ausbildung bei der Haspa und wechselt kurz danach in den Bereich Firmenkunden. Vor vier Jahren bewirbt sie sich für eine Führungsposition und leitet seither als stellvertretende Direktorin das Existenzgründer-Center. Der Unternehmensbereich hat viel zu tun. „Jedes Jahr werden rund 1000 Konzepte eingereicht. 2020 haben wir mit 42 Millionen Euro für 300 Gründungen fast genauso viel finanziert wie in den Jahren davor. Und das laufende Jahr liegt sogar auf Rekordniveau“, so Blöß. Dabei hält das Start-up-Center auch stets einen engen Kontakt zu den Gründern. Mitte August startete der Bereich erstmals eine Kundenveranstaltung namens „Go Green“. Mit dabei waren viele Impact-Gründer. Sie stellten ihre nachhaltigen Geschäftskonzepte vor, die sich bereits erfolgreich am Markt etabliert haben.
Start-up-Geschäft auf breitere Basis stellen
Jetzt beabsichtigt Blöß, das Start-up-Geschäft auf mehr Standbeine zu stellen. Sie sucht bundesweit den Schulterschluss mit den Sparkassen in München, Berlin und Köln, um mit den Kollegen innovative Geschäftsideen junger Unternehmer noch schneller voranzutreiben. Dabei würde sie sich freuen, wenn die Sparkassen verstärkt Impact-Gründern in die Selbstständigkeit begleiten. „Vielleicht können sich so noch mehr junge Unternehmer mit Geschäftsideen am Markt behaupten, die weniger Müll verursachen“, so Blöß. Das wäre wohl ganz in ihrem Sinne.